Zehn Jahre Stammapostel Leber lautete das Thema beim monatlichen Gesprächsabend in der Gemeinde Herford.
Dazu war Stammapostel i. R. Wilhelm Leber am 29. September 2015 in seine Heimatstadt gereist. Im Vortrag berichtete er, auf welche Themen er in seiner Amtszeit den Schwerpunkt gelegt hatte und was sich in der Kirche aus seiner Sicht verändert habe. Dabei stimmte er die etwa 260 Zuhörer auf weitere Entwicklungen in der Neuapostolischen Kirche ein: Solange wir auf die Wiederkunft Jesu warten, entwickelt sich Kirche weiter.
Der für den Kirchenbezirk Herford zuständige Bischof Peter Johanning (Bereich NRW-Nord), langjähriger Medienreferent von Stammapostel Wilhelm Leber, begrüßte den ehemaligen internationalen Kirchenleiter am Dienstag, den 29. September 2015 in dessen Heimatstadt Herford. In der großen neuapostolischen Kirche Herford war der Stammapostel zuletzt Anfang 2013 zu Gast gewesen, als er den Gottesdienst zum Jahresauftakt gefeiert hatte (wir berichteten).
Zunächst blickte Stammapostel Wilhelm Leber in einem 45-minütigen Vortrag zurück auf die Veränderungen in der Kirche in den letzten zehn Jahren. Dabei betonte er die Kontinuität in der Arbeit als Kirchenoberhaupt: In erster Linie ist der Stammapostel Diener und wird nicht von heute auf morgen alles ändern, nahm er Bezug auf den Gottesdienst, den Stammapostel Jean-Luc Schneider am Sonntag zuvor für die Amtsträger in Düsseldorf gehalten hatte.
1. Theologische Entwicklungen
Im ersten Abschnitt des Vortrags ging der Stammapostel im Ruhestand auf theologische Entwicklungen in der Kirche ein. Dabei erinnerte er sich, dass er früher als kleiner Junge oft die Aussage gehört hätte, es sei in der Kirche alles gesagt, es ändere sich nichts mehr, man warte nur noch auf die Wiederkunft Jesu Christi.
Wir mussten dann erfahren, dass das nicht ganz so einfach ist, so der Stammapostel. Sein Amtsvorgänger, Stammapostel Richard Fehr, habe schließlich den Satz geprägt: Wir haben den Zirkel des Werkes Gottes zu eng gesehen.
Taufverständnis reformiert
Ein erster wichtiger Schritt, auch für die Öffnung zu anderen christlichen Kirchen, war für Stammapostel Leber das überarbeitete Taufverständnis der Kirche. Die bis dahin übliche Bestätigung der Taufe sei theologisch nicht haltbar gewesen. Was bestätigen wir da eigentlich, sei eine zentrale Frage gewesen, der sich die Kirchenleitung habe stellen müssen. Heute gilt: Die in anderen christlichen Kirchen formgerecht vollzogene Wassertaufe wird von der Neuapostolischen Kirche anerkannt.
Kirchenverständnis erweitert
Ein zweiter Schritt war für Stammapostel Leber das überarbeitete Kirchenverständnis. Früher waren wir überzeugt, dass Kirche Christi nur in der Neuapostolischen Kirche zu finden ist, blickte der Stammapostel zurück. Dabei müssen wir ganz realistisch anerkennen, dass es auch in anderen Kirchen Christen gibt, die sehr ernsthaft den Glauben leben und an denen man aufschauen kann.Heute sei das Verständnis anders: Kirche Christi ist dort, wo man sich zu Jesus Christus bekennt und bemüht ist, in der Nachfolge Christi zu stehen. Kirche Christi umfasse somit auch andere Glaubensgemeinschaften. Wo genau die Grenze zu setzen ist, das könne jedoch kein Mensch beurteilen, das obliege dem Urteil Gottes. Für die Neuapostolische Kirche trete Kirche Christi dort am deutlichsten hervor, wo das Apostelamt wirke und die drei Sakramente gespendet würden. Wichtig ist dem Stammapostel jedoch, dass niemand vom Heil ausgeschlossen werde.
Katechismus erarbeitet
Besonders stolz, so spürten es die Zuhörer, ist Stammapostel Wilhelm Leber auf die Herausgabe des Katechismus der Neuapostolischen Kirche in seiner Amtszeit. Für eine internationale Kirche ist das ein grundlegendes Werk und heute ein wichtiger Baustein unseres Glaubens, sagte der Stammapostel. Der Weg dahin sei jedoch schwierig gewesen. Als Beispiel nannte er etwas vordergründig Einfaches wie das fünfte Gebot Du sollst nicht töten.
Wir mussten uns damit beschäftigen, wie die Kirche den Wehrdienst beurteilt und ob die Kirche empfiehlt, sich der Landesverteidigung zu widersetzen. Nicht nur in diesem Fall habe es ein intensives Ringen um die Antworten gegeben. Dabei gab der Stammapostel zu: Auch in einem Katechismus bleiben immer Lücken, aber das Werk gibt viele Hinweise.
Ihm sei dabei immer noch wichtig, dass der Katechismus von den Amtsträgern verstanden und verinnerlicht werde und ebenso im zweiten Schritt von den Gemeindemitgliedern. Im Vorfeld der Veröffentlichung habe es die meisten Reaktionen aus Mitteleuropa gegeben. Viele störten sich an der Bezeichnung Katechismus, für manche war das etwas Katholisches, schmunzelte der Stammapostel. Heute irritiere das niemanden mehr.
2. Verhältnis zur Apostolischen Gemeinschaft
Im zweiten Teil des Vortrags widmete sich Stammapostel i. R. Leber dem Verhältnis zur Apostolischen Gemeinschaft. Er habe die Trennung 1955 als Kind miterlebt. Damals gingen Risse mitten durch die Familien, es herrschte Sprachlosigkeit, erinnerte er sich. In der Folge seien viele Barrieren aufgebaut worden. Und auch nach dem Heimgang von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff wurde keine Möglichkeit gefunden, Brücken zu bauen.
In seine Amtszeit fiel im Jahr 2007 ein Geschichtsabend, der die Zeit der Trennung aufarbeiten sollte, aber einen Sturm der Empörung auslöste. Doch negative Ereignisse haben manchmal ihr Gutes, sagte der Stammapostel. Er habe sich in der Folgezeit intensiv mit den damaligen Ereignissen beschäftigt und dabei auch mit Zeitzeugen in beiden Kirchen gesprochen. In mir entstand immer stärker der Wunsch, den alten Konflikt zu beenden, denn schließlich haben wir gemeinsame Wurzeln, bekannte der Stammapostel. Er habe um Entschuldigung gebeten, Fehler auf Seiten der Neuapostolischen Kirche eingestanden und versucht, der Apostolischen Gemeinschaft die Hand zu reichen. Die Brüder dort waren bereit dazu, strahlte der Stammapostel und zitierte Evangelist i. R. Werner Kuhlen, Sohn des damaligen Apostels Peter Kuhlen, der auf Seiten der Apostolischen Gemeinschaft immer wieder betont habe Wir sind alle apostolisch!.
Erklärung zur Versöhnung erarbeitet
Schließlich habe man sich an einen Tisch gesetzt und ein Papier, die Erklärung zur Versöhnung ausgearbeitet. Unser Ziel war es, ein vernünftiges gegenseitiges Verhältnis zu erreichen. Kern der Gespräche seien die gemeinsamen Wurzeln und Gemeinsamkeiten gewesen. Die Unterschiede waren nicht das beherrschende Thema, erinnert sich der Stammapostel.
Diese Zeit hat mich viel Kraft und Nerven gekostet, gab Stammapostel Leber zu. Doch er sei sehr dankbar, dass dies erreicht werden konnte. In diesem Zusammenhang dankte er auch Stammapostel Jean-Luc Schneider, der in einer Situation, als einzelne Aussagen der Versöhnungserklärung in der Kirchenleitung kritisch diskutiert wurden, mit der Aussage Brüder, ich will die Versöhnung klar machte, dass er den Prozess unterstützt. Das war ein tolles Statement, so Stammapostel Leber. Es sei einfach an der Zeit gewesen: Vor jeder Feier des Heiligen Abendmahls sprechen wir von der Vergebungsbereitschaft. Da muss man auch irgendwann mal einen Schlussstrich unter solche Konflikte ziehen.
Die Versöhnungserklärung solle die Grundlage für den weiteren Austausch und fruchtbare Gespräche sein. Sein Wunsch: Dies muss sich in Gemeinden fortsetzen. Im Rheinland gebe es bereits schöne Ansätze.
Zudem gebe es weitere Abspaltungen, die aufgearbeitet werden sollten, beispielsweise in Ostdeutschland. Da entwickelt sich manches, schilderte der Stammapostel seine Eindrücke. Dennoch sei eines klar: Wir bleiben unterschiedliche Kirchen, es bleiben theologische Unterschiede. Deshalb habe auch der Wunsch einiger nach beispielsweise gemeinsamen Gottesdiensten Grenzen. Dafür müssten in weiteren Gesprächen Grundlagen geschaffen werden.
Erinnerung an Europa-Jugendtag
Gern erinnerte sich der Stammapostel an den Europa-Jugendtag 2009, als er mit deutlichen Worten der anwesenden Delegation der Apostolischen Gemeinschaft die Hände zur Versöhnung ausstreckte. Dies war für den Stammapostel eine Eingebung durch den Heiligen Geist. Im Gottesdienst habe ich bis zu diesem Augenblick, der Vorbereitung auf das Heilige Abendmahl, keine Gedanken in dieser Richtung gehabt, berichtete er.
Plötzlich kam das über mich. Ich habe gespürt, dass der Moment gekommen sei, wo sich etwas bewegen müsse. Berührt habe ihn die Reaktion der Jugendlichen, die spontan Applaus spendeten. Unsere jungen Schwestern und Brüder haben sofort die Bewegung und den besonderen Moment gespürt.
3. Organisatorische Änderungen
Im dritten und letzten Teil seines Vortrags widmete sich der Stammapostel den organisatorischen Veränderungen. Er ging dabei auf Länder ein, die in seiner Amtszeit zu selbstständigen Gebietskirchen wurden. Hier sei in den Jahrzehnten zuvor, insbesondere durch Bezirksapostel Michael Kraus aus Kanada, vor allem in Afrika und Asien enorme Aufbauarbeit geleistet worden. Dadurch umfasste der Bezirksapostelbereich Kanada in den 90er Jahren rund vier Millionen Mitglieder (von damals etwa 8 Millionen weltweit).
Vielleicht bin ich zu sehr Mathematiker, aber dieses Ungleichgewicht hat mich gestört, schmunzelte Stammapostel Leber. Deshalb habe er mit den Bezirksapostel beschlossen, einige Bereiche in Afrika und Asien in die Selbstständigkeit zu führen. Hier sah er zwei Gesichtspunkte: Zum einen eine Reduzierung der Reisekosten sowie den Stolz der Glaubensgeschwister in diesen Ländern. Niemand sollte den Eindruck haben, die Kirchen dort seien abhängig von einer Art Kolonialmacht, so der Stammapostel. Zudem würden die afrikanischen Apostel die Menschen und Bedingungen vor Ort besser kennen als Europäer oder Nordamerikaner.
Aus den Überlegungen entstanden zwei selbstständige Bezirksapostelbereiche im Kongo, einer in Südostafrika sowie ein weiterer in Südostasien. Die ganz persönliche Meinung von Stammapostel Leber: Wir sind bei der Entwicklung nicht am Ende, ich überlasse die Entscheidung aber ganz Stammapostel Schneider.
Entwicklung als Fortschritt
Zum Ende des Gesprächsabends stellten Bischof Peter Johanning sowie die Zuhörer Fragen an den Stammapostel. So antwortete der Stammapostel auf die Frage nach der ökumenischen Öffnung der Kirche, dass er den Austausch sehr unterstütze und dabei erfahren habe, dass die eigenen Glaubensüberzeugungen von den Gesprächspartnern respektiert würden. Diesen Dialog sollten wir international und national weiter pflegen, so seine Empfehlung.
Abschließend stimmte der Stammapostel seine Schwestern und Brüder darauf ein, dass die Entwicklung weitergehe. Wir sind nicht am Ende der Veränderungen in unserer Kirche. Wir warten auf die Wiederkunft Christi; aber so lange wir warten, gibt es Entwicklungen. Denn: Wo Menschen seien, gäbe es immer Entwicklung, jeweils angepasst an die Zeit. Die Bitte des Stammapostels an die Zuhörer: Seht diese Entwicklungen als Fortschritt und Weiterentwicklung an. Die Kirchenleitung heute tue das, was dem Volk Gottes nutze, was hinführe zur Vollendung nach dem Verständnis der Neuapostolischen Kirche. Ich selbst bin gespannt, was die Zukunft noch bringt, so das ehemalige Kirchenoberhaupt.
Zwei Klavierstücke aus dem Nussknacker und Schwanensee von Piotr Il. Tschaikowski, vorgetragen von Tatjana Schuster, rundeten den Vortrag ab.
Datenschutzeinstellungen
Mit Hilfe einiger zusätzlicher Dienste können wir mehr Funktionen (z.B. YouTube-Video-Vorschau) anbieten. Sie können Ihre Zustimmung später jederzeit ändern oder zurückziehen.
Datenschutzeinstellungen
Diese Internetseite verwendet notwendige Cookies, um die ordnungsgemäße Funktion sicherzustellen. Jeder Nutzer entscheidet selbst, welche zusätzlichen Dienste genutzt werden sollen. Die Zustimmung kann jederzeit zurückgezogen werden.
Einstellungen
Nachfolgend lassen sich Dienste anpassen, die auf dieser Website angeboten werden. Jeder Dienst kann nach eigenem Ermessen aktiviert oder deaktiviert werden. Mehr Informationen finden sich in der Datenschutzerklärung.